Hintergrundwissen

Mobilfunk-Minderungsrecht für »schlechtes Netz«: BNetzA legt Entwurf für mehr Verbraucherschutz vor – Anhörung bis 12.7.2024

Einfaches Messtool für nicht erreichte Bandbreiten soll Rechtsanspruch endlich in die Praxis umsetzen

12. Juni 2024

Mobilfunk-Minderungsrecht 2024

Nach langer Pause scheint in diesem Jahr endlich wieder Schwung in das Mobilfunk-Minderungsrecht zu kommen, das bereits seit langer Zeit – analog zur Breitbandmessung-App im Festnetz – auch für Mobilfunktarife Verbrauchern zur Preisminderung bei versprochener, aber nicht gehaltener Leistung verhelfen soll.

Die Bundesnetzagentur (BNetzA) steht hier schon seit einiger Zeit in der Kritik, kein entsprechendes Messtool als Überwachungsmechanismus zur Verfügung zu stellen, das es Mobilfunkkunden erleichtern würde, eine Preisminderung für Handytarife durchsetzen zu können.

Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) hatte hierzu am 12.2.2024 einen umfassenden Beitrag veröffentlicht, der wortgleich und großteils uneditiert in vielen seriösen Medien veröffentlicht wurde. Unintentional? Unklar, aber das soll nicht zum Thema werden.

Anscheinend soll es 2024 nun ein praktikables Messinstrument geben, und sollte dies wirklich schlagkräftig werden, dürfte es in Zukunft ja vielleicht auch leichter werden, bei schlechter Mobilfunkleistung tatsächlich vorzeitig (außerordentlich) aus seinem bestehenden Handyvertrag herauszukommen. Denn schließlich sorgt auch eine Preisminderung nicht automatisch für besseren Empfang, oftmals schafft nur der Tarifwechsel Abhilfe.

BNetzA Entwurf zum Mobilfunk-Minderungsrecht

Nun startet die BNetzA die offizielle Anhörung bis zum 12.7.2024 mit entsprechenden Vorschlägen (siehe Info-Seite) und verweist in der offiziellen Pressemitteilung erneut auf die Komplexität des Vorhabens:

Der Nachweis einer Minderleistung im Mobilfunk ist deutlich komplexer als im Festnetz, da die Leistung nicht an einem festen Standort erbracht wird. Entscheidend ist die Leistungsfähigkeit der Netze der Anbieter in den einzelnen Regionen. Zudem ist der Mobilfunk ein sogenanntes Shared Medium, bei dem sich die Nutzer die vor Ort verfügbare Leistung teilen. Die Bundesnetzagentur hält deshalb einen regional differenzierten Ansatz zur Feststellung einer minderungsrelevanten Abweichung zwischen der tatsächlichen und der vom Anbieter angegebenen Leistung für notwendig. Nur so kann den Besonderheiten des Mobilfunks Rechnung getragen werden.

Wann handelt es sich um Minderleistung (»schlechtes Netz«)?

Das Modell basiert auf einer regionalen Einteilung, wobei im ländlichen Raum einer größerer Abschlag hingenommen werden muss als in städtischen. Der Vorschlag im Entwurf (2024) lautet:

RegionDefinitionAbschlag
ländlichmehr als 2.500 m² pro Haushalt90% (bis 95%)
halbstädtischmehr als 625 m² pro Haushalt, weniger als 2.500 m² pro Haushalt85%
städtischweniger als 625 m² pro Haushalt75%

Versuchen wir einmal, diese Werte zu konkretisieren: Soll dein Tarif dir eine Geschwindigkeit von maximal 100 Mbit/s. (auf dem Papier) ermöglichen, müssten demnach mindestens 10 Mbit/s. (ländlich), 15 Mbit/s. (halbstädtisch) oder 25 Mbit/s. (städtisch) bei dir ankommen, bevor Verbraucherrechte (Minderung oder ggf. fristlose Kündigung) in Betracht gezogen werden können.

Dokumentation der Minderleistung an mindestens 5 Tagen innerhalb von 2 Wochen

Für die Belegbarkeit sollen innerhalb von 14 Tagen jeweils 6 Messungen pro Tag an 5 unterschiedlichen Kalendertagen mit einem zeitlichen Abstand (zwischen der 3. und 4. Messunge eines Tages: mindestens 3 Stunden, für alle anderen Messungen: mindestens 5 Minuten).

Hat man es einmal verstanden, ist es mit Sicherheit als praktikabel einzustufen. Von außen und beim ersten Lesen betrachtet: Ganz schön kompliziert. Und von einem einfachen Messtool, das die Verbraucherzentralen zu Beginn des Jahres 2024 postulierten, weit entfernt!

 

Preisminderungsentwurf aus dem Jahr 2022

Im Großen und Ganzen hält die BNetzA damit an ihrem vor Jahren vorgestellten Modell fest.

2022 hatte die BNetzA hierzu problembewusst einen Vorschlag für die Belegbarkeit einer Minderleistung im Mobilfunk gemacht – wobei anscheinend vergessen wurde, dass nur die wenigsten Verbraucher detektivische Statistiker sind.

Der Nachweis einer Minderleistung im Mobilfunk ist deutlich komplexer als im Festnetz. Grund dafür ist, dass die Leistung nicht an einem festen Standort erbracht wird. Entscheidend ist, wie leistungsfähig die Netze der Anbieter in den einzelnen Regionen sind. [...] Daher plant die Bundesnetzagentur, differenzierte Abschläge für die Bestimmung einer minderungsrelevanten Abweichung von der vertraglich vereinbarten Leistung zugrunde zu legen. In städtischen Bereichen könnte der mögliche Abschlag nach Ansicht der Bundesnetzagentur 75 Prozent, in halbstädtischen Bereichen 85 Prozent und in ländlichen Bereichen 90 Prozent betragen. Diese Abschläge mögen hoch erscheinen. Angesichts der oft vereinbarten maximalen Geschwindigkeiten von mehreren Hundert Mbit/s ergeben sich auch bei solchen Abschlägen für die meisten Endkundinnen und Endkunden noch hohe Datenübertragungsraten. Die Anzahl der für den Nachweis einer Minderung notwendigen Messungen sollte aus Sicht der Bundesnetzagentur – wie im Festnetz – bei 30 Messungen liegen. Allerdings sollten sich die Messungen im Mobilfunk auf fünf Kalendertage zu je sechs Messungen pro Kalendertag verteilen.

Trotz Anspruch durch das neue Telekommunikationsgesetz (TKG) 2021 wurde das Minderungsrecht nach Auffassung der Verbraucherzentrale (2022) bislang »mangelhaft« umgesetzt, sodass ein neues Messinstrument zur Preisminderung im Mobilfunk dringend gefordert ist.

Für 2024 hat die BNetzA auf dpa-Anfrage angekündigt, diesen neuenÜberwachungsmechanimus in Form eines Messtools zur Verfügung zu stellen – und somit ein Mobilfunk-Minderungsrecht auf de Weg zu bringen.

Daten müssten der BNetzA eigentlich genügend vorliegen: Die regelmäßige Aktualisierung der Mobilfunk-Karte zeigt Funklöcher, der Tätigkeitsbericht Telekommunikation als auch der Jahresbericht Telekommunikation erfassen Leistungsdaten der Mobilfunkanbieter, und über die Breitbandmessung-App (siehe Interaktive Darstellung in der mobilen App) wird klar, mit welchen tatsächlichen Brandbreiten die Tarife unterwegs sind.

In der Konsequenz führt dies zur Durchsetzung der Verbraucherrechte:

Die im Telekommunikationsgesetz verankerten Verbraucherrechte erlauben es im Falle einer Minderleistung, das vertraglich vereinbarte Entgelt für ihren Internetzugang zu mindern oder den Vertrag außerordentlich ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen.

Ob bei den Netzbetreibern Vodafone und Telefónica (o2) aus Sorge vor der Einführung des Minderungsrechts schon einmal vorsorglich der maximal mögliche Download-Speed von maximal 500 Mbit/s. auf 300 Mbit/s. nach unten korrigiert wurde?

Sollte sich nämlich das Instrument am 2022er-Vorschlag der BNetzA orientieren, dürften Mobilfunkanbieter in der nächsten Zeit vielleicht an ihren Maximal-Speed-Angaben feilen, um Preisminderungsansprüchen den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Vielleicht hat es der ohnehin günstige App-Tarif fraenk mit 5G daher bei maximal 25 Mbit/s. belassen, obwohl mit 5G deutlich mehr drin wäre. Nicht einmal 50 MBit/s.? Es könnte hier eine Erklärung sein!

Ungeachtet dieser Diskussion gibt es aber auch Anbieter, die exakt Gegenteiliges tun: Bei ALDI TALK steigt der Speed auf maximal 100 Mbit/s. in den 5G-Tarifen.

Quellen

Autor: TARIFFUXX Redaktionsteam